Thomas Michel präsentiert den hydrographischen Lichtbilderzyklus „Die Odyssee” als Uraufführung im Lichtspielkino Bamberg. Das Werk umfaßt mehr als 150 Einzelbilder, die in Überblendtechnik Homers Irrfahrt des Odysseus nacherzählen.
Begleitet von wundersamen Zeichen der Götter wird Odysseus während seiner Odyssee an die von mythologischen Wesen bevölkerten Inseln der griechischen Antike verschlagen. Im szenischen Wechsel von Tag und Nacht, Reise und Aufenthalt, Meer, Erde und Himmel entstehen phantastische Welten. Ein ganzer Kosmos entsteht, der nur als Projektion existiert, hierin ist die Odyssee auch eine Reise zu den Anfängen des Kinos: zur optischen Wunderwelt der Laterna Magica. Orchesterklänge von Rimsky-Korsakow bis Philip Glass begleiten die Vorführung. Im Anschluß findet im Kinofoyer des Lichtspielkinos die gleichnamige Ausstellungseröffnung mit Abzügen der projizierten Bilder statt. 11.05.1997
Das Lichtspielkino Bamberg zählt zu den besten Programmkinos Deutschlands und wird regelmäßig mit nationalen und internationalen Preisen bedacht, unter anderem vom Bundeskulturministerium, dem FilmFernsehFond Bayern und der Europäischen Kommission in Brüssel. Auch der multimediale Lichtbilderzyklus „Bilder einer Ausstellung” wurde im Lichtspielkino uraufgeführt.
Die nachfolgenden Textauszüge aus Homers „Ilias” und „Odyssee” sind den Übersetzungen von Johann Heinrich Voß entnommen.
TROJA
Der Krieg – Die Ruinen
Als sie nunmehr anstrebend auf einem Raum sich begegnet; trafen zugleich Stierhäut‘, und Speere zugleich, und die Kräfte rüstiger Männer in Erz; und die hochgenabelten Schilde Naheten dichtgedrängt; und umher stieg lautes Getös‘ auf. Jetzo erscholl Wehklagen und Siegsgeschrei miteinander, Würgender dort und Erwürgter; und Blut umströmte die Erde. Wie zween Ström‘ im Herbste geschwellt, den Gebirgen entrollend, zum gemeinsamen Tal ihr strudelndes Wasser ergießen, aus unendlichen Quellen durch tiefgehöhltes Geklüft hin; ferne hört ihr Geräusch der weinende Hirt auf den Bergen: also erhub den Vermischten sich Wutgeschrei und Verfolgung.
Ilias, Vierter Gesang


DIE LOTOPHAGEN
Die Lotosfrucht – Abschied unter Tränen
Wer nun die Honigsüße der Lotosfrüchte gekostet, dieser dachte nicht mehr an Kundschaft oder an Heimkehr: sondern sie wollten stets in der Lotophagen Gesellschaft bleiben, und Lotos pflücken, und ihrer Heimat entsagen. Aber ich zog mit Gewalt die Weinenden wieder ans Ufer, warf sie unter die Bänke der Schiff, und band sie mit Seilen. Drauf befahl ich und trieb die übrigen lieben Gefährten, eilend von dannen zu fliehn, und sich in die Schiffe zu retten, daß man nicht, vom Lotos gereizt, der Heimat vergäße.
Odyssee, Neunter Gesang


DIE ZYKLOPENINSEL
In Polyphems Höhle – Die Blendung
Und sie faßten den spitzen Olivenknittel, und stießen ihn dem Kyklopen ins Aug‘, und ich, in die Höhe mich reckend, drehete. Wie wenn ein Mann, den Bohrer lenkend, ein Schiffholz bohrt; die Unteren ziehn an beiden Enden des Riemens, wirbeln ihn hin und her; und er flieget in dringender Eile: also hielten auch wir in das Auge den glühenden Knittel, drehten, und heißes Blut umquoll die dringende Spitze. Alle Wimpern und Augenborsten versengte die Lohe seines entflammten Sterns; es prasselten brennend die Wurzeln.
Odyssee, Neunter Gesang


ÄOLOS
Die schwimmende Insel – Die Entfesselung der Winde
Und sie lösten den Schlauch, und mit einmal entsausten die Winde. Plötzlich ergriff sie der Sturm, und schleudert‘ weit in das Weltmeer hin die Weinenden, ferne vom Vaterlande. Da fuhr ich schnell aus dem Schlaf, und erwog in meiner unsträflichen Seele: ob ich vom Schiffe hinab in die tobenden Wogen mich stürzte, oder es schweigend erduldet , und noch bei den Lebenden bliebe; aber ich duldet‘ und blieb, und lag mit verhülltem Antlitz auf dem Verdeck; und es warf der Orkan aufbrausend die Schiffe nach der äolischen Insel zurück; es seufzten die Männer.
Odyssee, Zehnter Gesang


KIRKE
Kirkes Palast – Die Verwandlung
Armer, wie gehst du hier so allein durch die bergichte Waldung, da du die Gegend nicht kennst? Bei Kirke sind deine Gefährten eingesperrt, wie Schweine, in dichtverschlossenen Ställen. Gehst du etwa dahin, sie zu retten? Ich fürchte, du kehrest nicht von dannen zurück, du bleibest selbst bei den andern. Aber wohlan! ich will dich vor allem Übel bewahren! Nimm dies heilsame Mittel, und gehe zum Hause der Kirke, sicher, von deinem Haupte den Tag des Fluches zu wenden.
Odyssee, Zehnter Gesang


DIE LÄSTRYGONEN
Zerstörung der ankernden Schiffe – Die Flucht
Und er erhub ein Gebrüll durch die Stadt; und siehe; mit einmal kamen hieher und dorther die rüstigen Lästrygonen zahllos zuhauf, sie glichen nicht Menschen, sondern Giganten. Diese schleuderten jetzt von dem Fels unmenschliche Lasten Steine herab; da entstand in den Schiffen ein schrecklich Getümmel, sterbender Männer Geschrei und das Krachen zerschmetterter Schiffe. Und man durchstach sie, wie Fische, und trug sie zum scheußlichen Fraß hin.
Odyssee, Zehnter Gesang


DAS SCHATTENREICH
Der Hain Persephones – Die Mündung der Totenflüsse
Hast du den herrlichen Scharen der Toten geflehet, dann opfre einen Bock und ein Schaf von ungezeichneter Schwärze, ihre Häupter gekehrt zum Erebos; aber du selber wende dein Antlitz zurück nach den Fluten des Stromes. Dann werden viele Seelen kommen der abgeschiedenen Toten. Jetzo ermahn‘ und treib aufs äußerste deine Gefährten, beide liegenden Schafe, vom grausamen Erze getötet, abzuziehn, und ins Feuer zu werfen, und anzubeten Aïdes schreckliche Macht und die strenge Persephoneia.
Odyssee, Zehnter Gesang


DIE SIRENEN
Die Windstille – Der Gesang der Sirenen
Erstlich erreichet dein Schiff die Sirenen; diese bezaubern alle sterblichen Menschen, wer ihre Wohnung berühret. Welcher mit törichtem Herzen hinanfährt, und der Sirenen Stimme lauscht, dem wird zu Hause nimmer die Gattin und unmündige Kinder mit freudigem Gruße begegnen; Denn es bezaubert ihn der helle Gesang der Sirenen, die auf der Wiese sitzen, von aufgehäuftem Gebeine modernder Menschen umringt und ausgetrockneten Häuten. Aber du steure vorbei, und verkleibe die Ohren der Freunde Mit dem geschmolzenen Wachse der Honigscheiben, daß niemand von den andern sie höre.
Odyssee, Zwölfter Gesang


ZWISCHEN SKYLLA UND CHARYBDIS
Der Strudel Charybdis – Der Felsen der Skylla
Drunter lauert Charybdis, die wasserstrudelnde Göttin. Dreimal gurgelt sie täglich es aus, und schlurfet es dreimal schrecklich hinein. Weh dir, wofern du der Schlurfenden nahest! Selbst Poseidaon könnte dich nicht dem Verderben entreißen: darum steure du dicht an Skyllas Felsen, und rudre schnell mit dem Schiffe davon. Es ist doch besser, Odysseus, sechs Gefährten im Schiff zu vermissen, als alle mit einmal! Also sprach sie; und ich antwortete wieder, und sagte: Göttin, ich flehe dich an, verkünde mir lautere Wahrheit: kann ich nicht dort dem Strudel der wilden Charybdis entfliehen, aber Skylla bestrafen, sobald sie die Meinigen anfällt?
Odyssee, Zwölfter Gesang


DIE INSEL DES SONNENGOTTES
Der Hunger – Die Schlachtung der heiligen Rinder
Als ich jetzo das Schiff und des Meeres Ufer erreichte, schalt ich die Missetäter vom ersten zum letzten; doch nirgends fand ich Rettung für uns, die Rinder lagen schon tot da. Bald erschienen darauf die schrecklichen Zeichen der Götter; ringsum krochen die Häute, es brüllte das Fleisch an den Spießen, rohes zugleich und gebratnes, und laut wie Rindergebrüll scholl’s. Und sechs Tage schwelgten die unglückseligen Freunde von den besten Rindern des hohen Sonnenbeherrschers.
Odyssee, Zwölfter Gesang


DER ZORN DES ZEUS
Der Orkan – Vernichtung der Gefährten
Plötzlich zerbrach der Orkan die beiden Taue des Mastbaums; aber der Mast fiel krachend zurück, und Segel und Stange sanken hinab in den Raum; die Last des Fallenden stürzte hinten im Schiff dem Piloten aufs Haupt, und zerknirschte mit einmal alle Gebeine des Haupts; da schoß er, ähnlich dem Taucher, köpflings herab vom Verdeck, und der Geist entwich den Gebeinen. Und nun donnerte Zeus; der hochgeschleuderte Strahl schlug schmetternd ins Schiff: und es schwankte, vom Donner des Gottes erschüttert; alles war Schwefeldampf, und die Freund‘ entstürzten dem Boden.
Odyssee, Zwölfter Gesang


KALYPSO
Der Garten Kalypsos – Die Gefangenschaft
Niemand erinnert sich ja des göttergleichen Odysseus von den Völkern, die er mit Vaterliebe beherrschte! Sondern er liegt in der Insel, mit großem Kummer belastet, in dem Hause der Nymphe Kalypso, die mit Gewalt ihn hält; und wünschet umsonst, die Heimat weiterzusehen: denn es gebricht ihm dort an Ruderschiffen und Männern, über den breiten Rücken des Meeres ihn zu geleiten.
Odyssee, Fünfter Gesang


DIE RACHE POSEIDONS
Der Sturm – Schiffbruch
Also sprach er, versammelte Wolken, und regte das Meer auf, mit dem erhobenen Dreizack; rief itzt allen Orkanen aller Enden zu toben, verhüllt‘ in dicke Bewölke Meer und Erde zugleich; und dem düstern Himmel entsank Nacht. Unter sich stürmten der Ost und der Süd und der sausende Westwind, auch der hellfrierende Nord, und wälzte gewaltige Wogen. Und dem edlen Odysseus erzitterten Herz und Knie; tiefaufseufzend sprach er zu seiner erhabenen Seele: weh mir, ich elender Mann! Was werd‘ ich noch endlich erleben!
Odyssee, Fünfter Gesang
