In suggestiven Bildern beschwört Thomas Michel die morbide Welt des Komponisten Modest Mussorgsky herauf. Der in Überblendtechnik projizierte hydrographische Lichtbilderzyklus „Bilder einer Ausstellung” zieht den Betrachter durch seine magische Lichtwirkung gleichsam in die Leinwand hinein und schickt ihn auf eine Reise durch bizarre Landschaften des Unterbewusstseins. Während seiner Promenade begegnet er grotesken Fabelwesen der russischen Mythologie wie dem Gnomus, den Küken in ihren Eierschalen und der Hexe Baba Yaga.
Modest Mussorgsky (1839 – 1881) war auch ohne professionelle musikalische Berufsausbildung einer der einflussreichsten Komponisten Russlands im 19. Jahrhundert. Zusammen mit seinen Freunden Mili Balakirew, César Cui, Alexander Borodin und Nikolai Rimsky-Korsakow lebte er in einer Kommune, die sich dem Kampf gegen den Akademismus verschrieben hatte. Sie schöpften ihre Inspiration aus dem russischen Volkstum und wollten dadurch mit den gängigen Musiktraditionen brechen, ironisch wurden sie von ihren Gegnern als das „mächtige Häuflein” bezeichnet. Mussorgsky war zeitlebens dem Alkohol verfallen und hinterließ viele seiner Werke unvollendet.


Im Jahr 1874 besuchte Modest Mussorgsky eine dem Architekten und Maler Victor Hartmann gewidmete Gedächtnisausstellung mit Aquarellen und Zeichnungen. Dieser war ein Freund von Mussorgsky gewesen und im Jahr zuvor plötzlich verstorben. Der damals 35jährige Komponist wählte zehn Bilder der Ausstellung aus, die er in voneinander unabhängige Klanggemälde übersetzte und mit einem musikalischen Motiv verband: der in die Musikgeschichte eingegangenen „Promenade”. Sie zieht sich durch das gesamte, etwa 35 Minuten dauernde Werk und soll das Umherschreiten und Innehalten des Ausstellungsbesuchers wiedergeben. Für den heutigen Hörer verbinden sich die zehn Klangbilder Mussorgskys zu einem gattungsübergreifenden Spektrum der Kunst. Sie sind komisch, tragisch und tragikomisch. Sie sind lyrisch, dramatisch und episch. Sie blicken in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
Die Originalfassung für Klavier mit ihren vielfarbigen Klangphantasien inspirierte viele nachfolgende Komponisten mit orchestralem Klangdenken. Von den verschiedenen Orchestrierungen hat sich die 1922 von Maurice Ravel vorgelegte Fassung international durchgesetzt. In ihr werden alle koloristischen Möglichkeiten des Klaviers mit der Fülle der impressionistischen Klangpalette verbunden.
Thomas Michel hat die Inspiration zur eigenen Kunst schon immer in Werken anderer Gattungen gesucht, um so eine neue Einheit von Musik, Literatur und bildender Kunst herzustellen. Mussorgskys Musik und die Umstände ihrer Entstehung waren für ihn seit langem eine Herausforderung. Durch die Entwicklung der Hydrographie fand er das ideale Medium, um die akustischen in visuelle Bilder rückzuführen und in Form eines Lichtbilderzyklus mit über 150 Einzelbildern zu verbinden. So schließt sich ein Kreis, in dem sich künstlerische Gattungen über mehrere Epochen und Nationen hinweg gegenseitig inspiriert haben. Am Ende stehen die Bilder, die zyklisch an ihren Anfang zurückkehren.
Die Uraufführung findet im Lichtspielkino Bamberg statt, wo bereits der hydrographische Lichtbilderzyklus „Die Odyssee” gezeigt worden ist. Als Einführung in den Bilderzyklus wird ein Hörspieltext von Thomas Kastura eingespielt, der in einer fiktiven Sterbeszene mit originalen Textauszügen aus Mussorgsky-Briefen Leben und Werk des Komponisten vorstellt. 17.05.1998
Thomas Kastura, geboren 1966 in Bamberg, lebt ebendort mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern. Er studierte Germanistik und Geschichte und arbeitet seit 1996 als Autor für den Bayerischen Rundfunk. Zahlreiche Erzählungen, Jugendbücher und Kriminalromane, u. a. „Der vierte Mörder” (2007 auf Platz 1 auf der KrimiWelt-Bestenliste), „Drei Morde zu wenig” (Kurzgeschichten) sowie aktuell der Thriller „Dark House”. Thomas Kastura ist außerdem Herausgeber der ars vivendi-Krimianthologien „Tatort Garten” und „To die or not to die”.

Promenade

Gnomus

Il vecchio castello

Die Tuilerien

Bydlo

Ballett der Küchlein in ihren Eierschalen

Samuel Goldenberg und Schmuyle

Der Marktplatz von Limoges

Catacombae (Sepulchrum Romanum)

Catacombae (Cum mortuis in lingua mortua)

Die Hütte der Baba Yaga

Das große Tor von Kiew